Fusion Graz und Umlandgemeinden – SMALL IS BEAUTIFUL oder BIGGER IS BETTER
Durch die Fusionsbestrebungen zwischen Bärnbach und Köflach ist zumindest für die Kronen Zeitung eine Fusion von Graz mit dem „Speckgürtel“ wieder ein Thema. Dazu gibt es heute einen Artikel, der aber primär die fehlende Zusammenarbeit/Kooperation in Bereichen Umwelt und Verkehr aufzeigt, echte Argumente für eine Fusion fehlen darin aber. Daher hab ich Vor- und Nachteile dazu einmal zusammen gefasst.
SMALL IS BEAUTIFUL oder BIGGER IS BETTER
Die wichtigsten Gründe für eine Gemeindefusionen in der Steiermark ganz allgemein sind:
– Gegenpole zu starken Zentren wie Graz zu schaffen, die Abwanderung aus Regionen verhindern weil man Angebote ähnlich wie Graz aufstellen kann, z.B. mögliche Gegenpole wären in der Steiermark Leibnitz-Wagna, Köflach-Bärnbach-Voitsberg, Knittelfeld-Judenburg, Bruck-Kapfenberg usw.
– Kleinregionale Zentren (z.B. Hartberg/Hartberg-Umgebung) um abseits der Stadtregionen regionale Infrastruktur besser aufzustellen, das war sicher auch einer der Hauptgründe für die Fusion zu Feldbach als einer der größte Städte der Steiermark und Zentrum der Südoststeiermark, nur so kann man regionale Infrastruktur wie Frei- und Hallenbad usw. auch ohne hohen Kommunalsteuereinnahmen finanzieren.
– Mehr Geld durch den Finanzausgleich (künstlich von der Bundespolitik geschaffener Grund, größere Gemeinden ab 10.000/25.000/50.000 erhalten pro Einwohner mehr Ertragsanteile) pro Einwohner
– Relevanz -> größere Gemeinden/Städte haben in Bund, Land oder auch International andere Hebel und Möglichkeiten und finden mehr Beachtung
– Finanzielle Möglichkeiten für Zukunftsprojekte zu schaffen, eine ländliche Gemeinde mit 1.000 Einwohnern tut sich schon bei Finanzierung eines neuen Kindergartens schwer. Eine Stadt mit über 10.000 Einwohner kann Projekte aufziehen, die in kleinen Gemeinden nur schwer vorstellbar sind.
Für Graz eine Fusion Graz und Umlandgemeinden fallen viele Punkte davon weg, Graz wächst ohnehin sehr schnell, für viele zu schnell, weil die Mieten dadurch steigen, der Ausbau der Infrastruktur zu hoch ist.
Wenn es um das Auftreten von Graz geht, ist die Stadtregion sowieso immer als Ganzes zu sehen, diese endet nicht nach Seiersberg-Pirka, aber auch nicht nach Premstätten sondern ist mittlerweile viel größer, wenn man jetzt ein paar Gemeinden mit Graz fusioniert ändert das nichts an der Stadtregion die viel größer ist.
Pro und Contra Fusion Graz – Umlandgemeinden (Gössendorf)
Pro
– Gemeinsame Planung in Bereichen wo diese bisher fehlt und auch sinnvoll ist (Tourismus, Verkehr, Umwelt, Wirtschaft, Raumplanung usw.)
– Sehr viel mehr Geld aus dem Finanzausgleich für die Einwohner aus den Umlandgemeinden (Gemeinden über 50.000 Euro erhalten pro Einwohner massiv mehr)
– Eine Tarifzone und bessere Öffi Anbindung und gemeinsame Umweltpolitik
– National und international höherer Stellenwert von Graz da mehr Einwohner
– Flexiblere und mehr Kinderbetreuungszeiten (sind in der Stadt durchschnittlich besser)
Contra
– Kein kurzer/direkter Weg mehr zur Gemeindepolitik
– Im Alltag verschiebt sich die Einflussnahme bei einer Stadt erfahrungsgemäß von der Bevölkerung Richtung Behörden und Verwaltung.
– Ende von Vereinen und Freiwilliger Feuerwehr wie es sie bisher in den Umlandgemeinden gibt. Es ist ganz etwas anderes wenn Raaba und Grambach fusionieren und die Vereine dadurch größtenteils erhalten blieben oder wenn Graz die Umlandgemeinden schluckt und dies mittelfristig wenn überhaupt nur mehr sehr abgeschwächt vorhanden ist.
– Teurere Gebühren, da in Graz mit überhöhten Gebühren zum Beispiel bei Wasser das Stadt-Budget aufgebessert wird, das gibt es in Gössendorf nicht die Gebühren sind alle kostendeckend ohne Aufschlag.
– Teurere Verwaltung, da in kleineren Gemeinden viel ehrenamtlich geleistet wird, das in Graz Beamte/Angestellte erledigen
– Verbauung und weniger freie Flächen, da als Stadt Graz für Neubauten das Umland attraktiver ist und nichts mehr in der Hand des jeweiligen Ortes liegt
– Ortsgrenze wird nur verschoben, Gössendorf verschmelzt mit Fernitz-Mellach und Hausmannstätten mehr als mit Graz. Eine Fusion mit Graz änderte an den Themen die in der Region behandelt werden müssen nichts, es verschiebt diese nur.
– Orte geben ihre Identität langfristig auf, es mag natürlich viele Orte geben in denen die Identifikation mit der Gemeinde größer ist als in Gössendorf, aber langfristig wäre man einfach Teil von Graz.
– Nachbarschaft und Ortsleben gehen zurück – Gössendorf ist trotz 4.000 Einwohner überschaubar, man kennt sich auch wenn man nicht in der gleichen Straße wohnt. Als Teil von Graz würde das massiv zurück gehen.
Pro/Contra
– höhere Grundstückpreise – das kann man nun positiv oder negativ sehen, aber als Teil von Graz würden die Preise für Grundstücke und Immobilen sicher noch weiter steigen.
Kooperation oder Fusion
Gemeinsame Planung, eine Tarifzone beim öffentlichen Verkehr und flexiblere Kinderbetreuung wären jetzt schon in den einzelnen Gemeinden sinnvoll und möglich, wenn nur der politische Wille vorhanden wäre, genauso wie der Ausbau der Radwege in und zwischen den Gemeinden.
Versäumnisse in diesen Bereichen sehe ich eher als Kritik an den Politikern in den Umlandgemeinden als als Fusionsgründe.
Beim Stellenwert braucht es ein gemeinsames Auftreten der ganzen Stadtregion, ob man nun ein paar Gemeinden mit Graz fusioniert oder nicht, ändert daran kaum etwas, es geht um die ganze Region mit 500.000 Einwohnern und nicht um Graz mit 300.000 oder 350.000 Einwohnern.
Bleibt schlussendlich das Geld als „Killeragument“, das ist ein von des Bundespolitik gesteuerter Vorteil, der größere Gemeinden im Moment pauschal bevorzugt.
Der Grund dafür ist, dass diese oft regionale Aufgaben zusätzlich erfüllen, das trifft zumeist zu, aber sinnvoller wäre ein aufgabenorientier Finanzausgleich, der Gemeinden die regionale Aufgaben (Sportstätten, Kultur, Schulen usw.) finanzieren belohnt.
Der finanzielle Vorteil wird durch eine „Professionalisierung“ der kommunalen Leistungen, die es mit der Fusion zu einen größeren Stadt für die Umlandgemeinden sicher gibt, aber zumindest teilweise neutralisiert. Mehr oder besser werden die Leistungen dadurch nicht automatisch, unpersönlicher werden diese aber auf jeden Fall.
Um wie viel Geld geht es?
Die Gemeinden erhalten nach ihrer Größe und Finanzkraft Anteile an den Bundessteuern (Umsatzsteuer, Lohnsteuer usw.) pro Einwohner:
Ertagsanteile 2016 (Anteil aus Bundessteuern)
Stadt Graz 1.082 pro Einwohner (über 50.000 Einwohner)
Gössendorf 716 Euro pro Einwohner
Seiersberg-Pirka 824 Euro pro Einwohner (über 10.000 Einwohner)
Raaba-Grambach 679 Euro pro Einwohner (selbst sehr finanzstark – Kommunalsteuer)
Hart bei Graz 680 Euro pro Einwohner (ebenfalls sehr finanzstark)
Gratwein-Straßengel 863 Euro pro Einwohner (über 10.000 Einwohner und kaum eigene Steuereinnahmen)
Eine Fusion von Umlandgemeinden zu Graz würde an der Finanzkraft (Kommunal- und Grundsteuer pro Einwohner kaum etwas ändern) daher kann man davon ausgehen, dass auch eine größere Stadt ähnlich viel bekommen würde. Wenn man den alten Wert von 1.082 Euro pro Einwohner für das Jahr 2016 nimmt ist die Differenz zu Gössendorf 366 Euro pro Einwohner, bei 4.000 Einwohnern ungefähr 1,5 Mio. Euro pro Jahr die man zusätzlich im Vergleich zur aktuellen getrennten Berechnung hätte.
Woher kommt das Geld? Es wird nur anders aufgeteilt, wie schon bei der Fusion 2015 bekommen die Gemeinden in anderen Bundesländern weniger aber vor allem die anderen steirischen Gemeinden. Eine Fusion von Bärnbach und Voitsberg hätte fast nur Auswirkungen auf die steirischen Gemeinden, Gemeinden über 10.000 Euro ändern die Anteil innerhalb des Bundeslandes, über 25.000 Einwohner zwischen den Bundesländern (abgestufter Bevölkerungsschlüssel) und den Gemeinden im eigenen Bundesland. Eine Drittel der kolportierten Mehreinnahmen von 2 Mio. Euro bei der Fusion Bärnbach-Voitsberg würde also Graz weniger aus dem Finanzausgleich bekommen.
Kooperation oder Fusion
Für mich wäre daher die Antwort auf die Frage „Kooperation oder Fusion“ zwischen Graz und den Umlandgemeinden sowie den Umlandgemeinden untereinander zuerst einmal immer stärkere Kooperation.
Leider fehlt diese in sehr vielen Bereichen, den Umlandgemeinden geht es eigentlich aufgrund der Zuwanderungen sehr gut, es fehlt daher für viele die Notwendigkeit mit den Nachbargemeinden wirklich stark zusammen zu arbeiten. Im Alltag ist der Bürgermeister in den meisten Gemeinden auch relativ allein, betreibt das Bürgermeisteramt als Nebenjob, warum sollte er wenn er es nicht selbst für die Bevölkerung möchte Kooperationen betreiben? Bessere Ausnutzung des vorhandenen Potentials und dadurch ein Mehrwert für die Bevölkerung durch Kooperationen sind offensichtlich leider für viele Gemeinde Politiker nicht Grund genug, daher mangelt es im Moment daran.
Die Region steirischen Zentralraum ist zum einen als Einheit aus Graz, Graz-Umgebung und Voitsberg fast zu groß, zu zahnlos und vor allem überhaupt nicht demokratisch gewählt.
Edit: In der Kronen Zeitung von 15.06.2018 dann die Antwort einiger GU Bürgermeister, die es ähnlich sehen wie ich 😉