Seit der zweiten Jahreshälfte 2021 treiben die steigenden Energiepreise die Inflationsspirale in Österreich an. Auslöser war die massive Drosselung der Gasexporte aus Russland nach Europa noch vor Beginn des Angriffskrieges. Die Gas-Börsenpreise explodierten in den Wintermonaten 2021/2022 und lagen bereits vor Kriegsbeginn deutlich höher als heute.
Quelle: https://www.energy-charts.info/charts/price_average/chart.htm?l=de&c=AT&month=08&year=2025
Explosion der Gas- und Strompreise im 4. Quartal 2021 vor dem Angriffskrieg in Österreich bei Gas auf 9,5 ct/kWh Einkaufspreis bereits in den letzten Monaten von 2021 und einem Strom Energie Einkaufspreis von über 20 ct/kWh netto.
Die stark erhöhten Energiepreise in Q4 2021 und im ganzen Jahr 2022 führten in der Folge dazu, dass nahezu alle anderen Preise stiegen. Laut Österreichischer Nationalbank waren Übergewinne der Energieerzeuger der Hauptgrund für die hohe Inflation 2022 (Achtung: Energieerzeuger und Lieferant sind nicht immer ident – manche Lieferanten erzeugen kaum selbst Strom und müssen auch teuer einkaufen!).
Im Vergleich zu 2021 gab es im produzierten Sachleistungsgüter Sektor einen Rückgang der Gewinne, weil diese die höheren Energiepreise ab Mitte 2021 (noch nicht) weitergeben konnten.
Dass die Großhandelspreise für Gas in Österreich direkt auch die Strompreise in die Höhe treiben, hat mehrere Ursachen:
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Der Strombörsenpreis wird nach dem Merit-Order-Prinzip von den teuersten Erzeugungskosten bestimmt – und das ist häufig Gas.
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Österreich liegt im Herzen Europas, sodass unser hoher Anteil an erneuerbaren Energien beim Börsenpreis keine Rolle spielt, da sich dieser mit Ländern mit deutlich geringerem Anteil abgleicht. Das bedeutet: Auch wenn in Österreich selbst kaum Gas verstromt wird, treiben die Gaskraftwerke in anderen Ländern unseren Großhandelspreis fast immer nach oben.
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Alle Stromlieferanten orientieren sich bei ihren Produkten am Großhandelspreis – selbst wenn sie über große Eigenproduktion verfügen. Unternehmerisch nachvollziehbar, da sie ihren Strom jederzeit zu diesem Preis ins Ausland verkaufen könnten. Aber gerade Unternehmen mit starker öffentlicher Beteiligung sollten nicht allein Gewinnmaximierung als Ziel haben.
Österreich hatte im Juli und August 2025 einen relativ hohen Anteil Energieerzeugung aus Erneuerbaren, für den Großhandelspreis Strom hat das aber kaum Relevanz, da sich dieser in Zentraleuropa aufgrund der Transportkapazitäten mit den Nachbarländern ausgleicht.
Quelle: https://www.energy-charts.info/charts/price_average_map/chart.htm?l=de&c=AT&interval=month&datetimepicker=26.08.2025&year=2025&month=08
Um die Kaufkraft zu sichern, waren in den vergangenen Jahren höhere Lohnabschlüsse und Pensionsanpassungen notwendig – was die Spirale zwar weiter antrieb, aber unvermeidbar war. Denn es ist widersprüchlich, wenn die Regierung zulässt, dass die Inflation primär durch Energieübergewinne befeuert wird, und gleichzeitig verlangt, dass Arbeitnehmer und Pensionisten durch niedrige Abschlüsse die eigentliche Rechnung dafür begleichen sollen.
Im Jahr 2025 liegen die Energiepreise nun höher als 2024 – aus drei wesentlichen Gründen:
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Energiesteuern und Abgaben für erneuerbare Energieträger wurden nach einer zeitweisen Aussetzung wieder eingeführt.
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Netzgebühren für Strom sind mit 1.1.2025 in den meisten Regionen massiv gestiegen – vor allem wegen des notwendigen Ausbaus der Infrastruktur für Energiewende und die viele kleine private PV-Anlagen (auch wir selbst betreiben eine).
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Der Preisdeckel von 10 ct/kWh ist ausgelaufen. Viele Endkunden haben dennoch nicht zu einem günstigeren Anbieter gewechselt, obwohl es Tarife unter diesem Niveau gibt. Wir selbst zahlen aktuell 7,985 ct/kWh netto auf ein Jahr garantiert, doch in Österreich verharren viele Haushalte einfach bei ihrem bisherigen Lieferanten.
Dass die Kombination aus den drei Gründen für den relativ hohen Energiepreis in Österreich in Kombination mit diesen 3 Punkte die Inflation das ganze Jahr 2025 anheizen wird war natürlich schon letztes Jahr klar. Warum man überhaupt nichts dagegen unternommen hat, bleibt unklar.
Die Situation ist ja seit mittlerweile 4 Jahren so bzw. zeichnen sich die Auslöser für die Inflation schon lange so ab. Die jeweilige Bundesregierung hat leider kaum etwas dagegen unternommen bzw. mit der Strompreisbremse nur die Symptome viel zu spät bekämpft, aber nichts an den eigentlichen Problemen gelöst.
Es ist unglaublich wie viel Schaden durch die Inflationsspirale mittlerweile angerichtet wurde und sie dreht sich weiter, weil man offensichtlich durch Lobbyismus und Angst nicht in den „Markt“ eingreifen will und auch die Kosten nicht stärker nach dem Verursacherprinzip verteilen möchte.
2022 hat man sich mit der Strompreisbremse unglaublich lange Zeit gelassen und monatelang gezögert und diskutiert, der Start war mit 1. Dezember 2022 für alle absehbar viel zu spät und wirkte erst 2023 und damit hatte man schon die hohe Inflation im Jahr 2022.
Dann hat man nicht nur die kurzfristige Symptombekämpfung viel zu spät gesetzt, sondern auch so gut wie nichts gemacht um die ursächlichen Probleme für die hohen Strompreise anzugehen.
Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz – ElWG wird daran kurz- und mittelfristig nichts ändern – es enthält mehr Flexibilität und Möglichkeiten. Ändert aber an den oberen Punkten für den hohen Gesamtstrompreis grundsätzlich nichts – einzig mit einer leicht höheren Anzahl an Anbieterwechseln kann man dann in ein oder zwei Jahren rechnen, wenn auf Alternativen mehr hingewiesen werden muss. Bis dahin läuft aber die Inflation natürlich weiter.
Meine Empfehlung für private Kunden und kleine Gewerbe daher
- Errichten sie eine private PV Anlage und nehmen sie sich zum Teil aus dem System, falls das noch nicht der Fall ist
- Je nach Haushaltsgröße und Verbraucher (Wärmepumpe, E-Auto) kann sich ein Batteriespeicher finanziell schon jetzt lohnen – das sollte man aber für sich durchkalkulieren. Grundsätzlich tut sich da bei den Preisen aber die nächsten Jahre sicher noch viel. Wir haben aktuell noch auf einen Speicher verzichtet, weil er sich erst nach über 10 Jahren finanziell rechnet. Eine PV-Anlage rechnet sich aber aktuell bei uns wegen einer Wärmepumpe schon deutlich früher. Wir warten auf günstigere Speicher in eventuell 2 Jahren, die sich dann finanziell schneller rechnen und technisch noch besser sind.
- Wechseln zum günstigen Anbieter beim Energiepreis mit maximalen Einmalrabatt auf ein Jahr und setzen eines Eintrag im Kalender und wechseln jedes Jahr, um sich immer die massiven Rabatte von 50% oder mehr abzuholen und so 50% bei der Energie zu sparen. Aktuell sind das garantiert für das nächste Jahr unter 8 ct/kWh netto Energiepreis.
- Dabei nur die Seite https://www.e-control.at/tarifkalkulator/ nutzen – bei privaten Plattformen lassen sich Anbieter als Werbung Vorreihen die nicht immer die günstigsten sind.
- Nehmen sie mit der PV Anlage an einer Energiegemeinschaft teil und verkaufen dort ihren Strom höher als über dem OEMAG Vergütungspreis – die Teilnahme als Verbraucher lohnt sich mit eigenen PV Anlage nicht/kaum – weil die Energiegemeinschaft zumeist ohnehin nur Strom teilt, wenn die eigene PV erzeugt.
Entsolidarisierung Strommarkt – Zwei-Klassen-System
Die Bundesregierung hatte die letzten Jahre leider nicht den Willen und hat ihn offensichtlich nach wie vor nicht ein funktionierendes Strommarktsystem für alle zu gestalten, das auch wieder günstigen Strompreis für alle ermöglicht. Insofern kann man mittlerweile nur mehr voll auf Egoismus setzen und damit den Druck endlich so weit zu erhöhen, dass irgendwann wirklich gehandelt werden muss.
Das tut mir zwar persönlich weh, weil wir beim Strompreis weiter auf eine Entsolidarisierung und damit auf ein Zwei-Klassen-System zusteuern. Wer technisch affin ist und/oder über ein eigenes Haus sowie die Möglichkeit zu Investitionen in Photovoltaik und immer günstigere Batteriespeicher verfügt, kann sich eine dauerhaft günstige Energieversorgung sichern.
Die Rechnung dafür zahlen jedoch all jene, die diese Möglichkeiten nicht haben. Sie bleiben übrig, müssen weiterhin die Infrastrukturkosten (Netz) tragen – auch für die anderen mit zahlen, weil die ja nach wie vor angeschlossen sind und das Netz nutzen, aber sich nicht mehr fair oder nach dem Verursacherprinzip an den Netzkosten beteiligen. Und sie werden auch künftig mit hohen Energiepreisen belastet.
Die Rechnung für die insgesamt hohe Inflation durch den hohen Strompreis gegenüber 2024 zahlen wir leider 2025 und in Zukunft alle wie auch die letzten Jahre schon …
Johannes Ulrich
1. Vizebürgermeister der Marktgemeinde Gössendorf, Steiermark
Seit über 25 Jahren beruflich als Softwareentwickler und Experte für Energieabrechnung und Energiedatenmanagement vor allem Strom und Gas tätig (Schwerpunkt Österreich)
Ergänzung: Lösungsvorschläge – weil ich danach gefragt wurde:
Beim Energiepreis Strom muss die Verkettung aus den 3 Faktoren durchbrochen werden
- eine Merit-Order Preisermittlung für alle Erzeugungsformen
- Marktpreis ist unabhängig von Erneuerbaren-Anteil in Österreich, weil gleich wie bei Nachbarn (es wird nicht für Österreich erzeugt, sondern für den EU-Markt)
- alle verkaufen nach Marktpreis an Endkunden trotz häufig viel niedrigerer Eigenerzeugungskosten
Nur einen der Faktoren zu verändern reicht aus, damit sich die Preise nicht mehr hochschrauben.
Ein Lösungsvorschlag zum Merit-Order Punkt wäre ein getrennter Handel von erneuerbaren Energieträger und fossilen Energieträgern nach Merit-Order, dann hätten die hohen Gaspreise keine oder weniger Auswirkungen mehr auf Wind, PV und Strom aus Wasserkraft oder die Umstellung auf ein Pool-Modell.
Beim zweiten Punkt ist es schwierig, aktuell ist es ein Irrglaube dass die österreichischen Kraftwerke für Österreich produzieren, sie produzieren für die europäischen Markt. D.h. wir profitieren vom Ausbau der Erneuerbaren in Österreich kaum – weil dies im Verhältnis zu Gesamtzentraleuropa nicht so stark ins Gewicht fällt. Austria First und dann erst Verkauf in das Ausland wäre vermutlich EU-rechtlich schwierig – wenn man wollte könnte man es aber auf ein Verfahren anlegen. Grundsätzlich schaut die EU bei dem Thema aber auch planlos zu.
Grundsätzlich ist hier aber eine Zusammenhang wichtig, sonst wird die Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren von Wind und PV Großanlagen massiv schwinden, weil die Geschichte dass damit der Strompreis bei uns sinkt, nicht wirklich stimmt – es sinkt minimal in ganz Europa, aber so viel dass es nicht bemerkbar ist.
Beim letzten Punkt sind fast alle großen Player in öffentlicher Hand, man argumentiert hier bisher immer mit den Aktienrecht und daher dem MUSS zur Gewinnmaximierung. Kann und sollte man für Energieversorgungsunternehmen und Energieerzeuger per Gesetz anders zu regeln. Und bei 100% in öffentlicher Hand befindlicher AGs ist es bisher nur eine Ausrede.
Eine Möglichkeit wäre auch eine Transparenzgesetz zum Preis, d.h. wie beim Herkunftsnachweis oder auch beim Heizkostengesetz sollte man auf die Rechnung die Erzeugungskosten für den Strom andrucken – nicht durch irgendwelche Subfirmen als Zwischenhändler hochgeschraubt, sondern den Durchschnittswert der Gestehungskosten der Kraftwerke. Das allein würde in vielen Fällen die Wechselquote ändern oder vielleicht schon vorher den Preis, weil niemand den Aufschlag mit auf die Rechnung drucken möchte. Das hätte aber eine längere Vorlaufzeit.
Bei den Netzkosten sollte man die Einnahmen aus der Besteuerung der Übergewinne der Energieversorgungsunternehmen für einen zweckgebunden Fond verwenden und aus dem Steuertopf den Ausbau der Erneuerbaren finanzieren. Es kann nicht sein, dass die Transformation von der alle profitieren primär von den Haushaltskunden und Kleingewerbe finanziert wird.
Als Sofortmaßnahme sollte man auch die ab 01.01.2025 wieder gültige Energiesteuer auf Strom und die Abgabe für Erneuerbare wieder aussetzen. Das tut zwar finanziell in der aktuellen Lage mehr als weh, aber ist durch die Untätigkeit der letzten 4 Jahre unumgänglich, durch die hohe Inflation wurde schon genug Schaden angerichtet.
Langfristig sollte die Elektrizitätsabgabe vom Netzbetreiber zum Lieferanten verschoben werden und je nach Primärenergieträger (Gas, PV, Wind, Wasser, Atom, Kohle) unterschiedlich hoch sein.



