Schuldenberg in Gratkorn
In Anlehnung an den letzten Beitrag bei dem ich die Kameralistik mit der Doppelten Buchführung verglichen habe spricht durch das Beispiel der Gemeinde Gratkorn sehr viel für die Einführung der Doppik.
Die Marktgemeinde Gratkorn bei Graz kämpft mit einem riesigen Finanzloch: 38 Mio. Euro an offenen Krediten, zehn Mio. Euro Leasingverpflichtungen, dazu kommen weitere 4,5 Mio. Euro aus der laufenden Gebarung.
Aussagen wie „Ich verstehe von Buchhaltung nicht wirklich viel.“ des Bürgermeisters Ernest Kupfer (SPÖ) mögen nachvollziehbar sein. Durch die doppelte Buchführung wären Grundlagen vorhanden damit man über Vermögensstand, Gewinn und Verlust und Kennzahlen auch als Laie zumindest grundsätzliche Möglichkeiten hat die Lage eine Organisation zu bewerten.
Wenn der beschuldigte Amtsleiter von einer „Loch-auf-Loch-zu-Methode“ spricht, die er seit Jahren angewendet haben will hört sich das für mich nach einem typischen Problem einer Eingaben/Ausgaben Rechnung an.
Dass die Unregelmäßigkeiten erst du die Erkrankung des damaligen Kassenleiters aufgefallen sein sollen und keiner sich schlüssig erklären kann wie es zu derartigen Misständen kommen konnte zeigt auch einfach fehlende Transparenz auf.
Die Marktgemeinde Gratkorn hat über 7.500 Einwohner, mag sein dass der Bürgermeister nicht viel von Buchhaltung versteht aber wenn hier wirklich seit 2005 manipuliert und massiv Schulden gemacht wurden stellt sich die Frage warum ist das niemanden aufgefallen.
Eigentlich gibt es in jeder Gemeinde Einwohner die aus beruflichen Gründen täglich mit Buchhaltung zu tun haben und aus Interesse auch mal den Rechnungsabschluss der Gemeinde überfliegen. Hier stelle ich mir die Frage wäre dies nicht bei einer doppelten Buchführung in den knapp 10 Jahren irgend jemand aufgefallen?
Meiner Meinung nach ist die Kameralistik heute bei Aufgaben die in ausgelagerten Unternehmen durchgeführt werden, Leasingsverträgen, Contracting usw. nicht mehr zeitgemäß. Profitieren würden nicht nur die Bürger sondern hauptsächlich die Entscheidungsträger in den Gemeinden, sie hätten bessere Kennzahlen zur Bewertung.
Zeitungsartikel in den letzten Jahren zu Gratkorn, sind auch die Quelle für Zahlen und Zitate.
13.12.2012 – Gratkorn stemmt Schuldenberg
„Helle Aufregung im Norden von Graz. Das stolze Gratkorn (7549 Einwohner) stemmt einen Schuldenberg. Dem trägt man im Budget 2013 Rechnung, spart und wird einige Wünsche nicht erfüllen können. Soweit ist Gratkorn kein Einzelfall. Allerdings wurde der Prüfungsausschuss am Dienstag informiert, dass sich noch „ein Finanzkrater unbestimmten Ausmaßes auftun könnte„, schildert Lambert Schönleitner (Grüne). Er spricht von offenen Forderungen in der Größenordnung von fünf Millionen Euro und ruft nach der Gemeindeaufsicht. Diese Summe kann sich Bürgermeister Ernest Kupfer (SPÖ) zwar „nicht erklären“. Er verheimlicht aber nicht, dass es durch den langfristigen Ausfall eines wichtigen Mitarbeiters in der Gemeindebuchhaltung einen „nicht unbeträchtlichen Rückstau“ gibt.“
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Es geht sowohl um offene Rechnungen als auch um Vorschreibungen. Die exakte Größenordnung sei ihm nicht bekannt. „Ich verstehe von Buchhaltung nicht wirklich viel.“ Der Personalmangel ist indes greifbar. Daher bemühte man sich redlich, Ersatz für den erkrankten Mitarbeiter zu finden – aber vergeblich. Ergo wurde Gratkorn beim Land vorstellig. „Bevor Gefahr in Verzug ist“, betont der Ortschef. Nächste Woche soll ein Mitarbeiter der Gemeindeabteilung (Gemeindeaufsicht) kommen.
http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/3189510/bevor-gefahr-verzug.story
19.12.2012 – Finanz-Loch in Gratkorn: Amtskassenleiter entlassen
„Die Gemeinde Gratkorn könnte zum Fall für das Gericht werden. Ein Loch von etwa fünf Mio. Euro soll sich in der Kassa auftun und noch scheint keiner zu wissen, wohin das Geld verschwunden ist. Der Amtskassenleiter ist seit Monaten krank.“
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„Nach der langen Krankheit des Amtskassenleiters flog nun auf, dass möglicherweise fünf Mio. Euro in der Buchhaltung fehlen. Laut Kupfer sind Rechnungen in der Höhe von 1,7 Mio. Euro offen und der Kassenkredit in der Höhe von 3,2 Mio. Euro sei bis auf 200.000 Euro aufgebraucht . Am Montag habe der Bürgermeister mit dem Leiter gesprochen. Dabei habe er Kupfer gegenüber Manipulationen gestanden und von einer Loch-auf-Loch-zu-Methode gesprochen, die er seit Jahren angewendet haben will.“
15.11.2013 – Manipulation: Finanzdesaster in Gratkorn
Die Marktgemeinde Gratkorn bei Graz kämpft mit einem riesigen Finanzloch: 38 Mio. Euro an offenen Krediten, zehn Mio. Euro Leasingverpflichtungen, dazu kommen weitere 4,5 Mio. Euro aus der laufenden Gebarung.
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Aufgeflogen waren die Unregelmäßigkeiten durch eine Erkrankung des damaligen Kassenleiters. Er gestand Manipulationen und wurde schon vor rund einem Jahr entlassen. Gegen ihn laufen Ermittlungen.
Die Vorwürfe richten sich aber nicht nur gegen ihn, betroffen ist faktisch die gesamte Administration der Marktgemeinde. In der Kritik der Gemeindeaufsicht gehe es um die Finanz- und Vermögenslage, die Buchhaltung und Kassenführung, diverse Einnahmenbereiche sowie die administrative Führung, heißt es in einer Mitteilung von Bürgermeister Ernest Kupfer (SPÖ). Der Gemeinderat habe deshalb nun auch die Trennung von der Amtsleiterin beschlossen.
http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1480236/Manipulationen_Finanzdesaster-in-Gratkorn
26.08.2014 – Ermittlungen gegen mindestens zehn Personen
Die Finanzmisere der Marktgemeinde Gratkorn bei Graz wird strafrechtlich aufgearbeitet. Bei den aktuellen Hausdurchsuchungen wurden Unterlagen und Datenträger sichergestellt. Diese müssen nun ausgewertet werden.
„Es gibt keine schlüssige Erklärung, wie es zu derartigen Missständen kommen konnte“, so Kupfer. Ein Großteil der Kritikpunkte seitens der Gemeindeaufsicht sei aber inzwischen abgearbeitet, hieß es dazu im November. Das Finanzloch, das in der Ära des verstobenen Altbürgermeisters entstanden war und um die 40 Mio. Euro groß gewesen sein soll, muss über ein Sparprogramm langfristig abgebaut werden. Eine Schlüsselrolle bei den Malversationen spielten Geldflüsse an den ehemaligen Erste-Liga-Fußballverein FC Gratkorn, der 2011 in die Insolvenz geschlittert war.